KULTURBRIEF. Das Kulturmagazin aus Bayreuth, 01|2022
Frank Piontek: „Näher an den Schmuck heran kommen. Melanie Nützel“
„Wer sich ihre fragilen Arbeiten genauer anschaut, bekommt eine Ahnung davon, wie es im Kopf einer Künstlerin aussehen mag, die mit Formen zu schaffen hat, die seit der Antike bestehen und variiert werden.
(…) Ist nicht jedes Einzelstück der Versuch, dem Naturwesen etwas abzugewinnen, was nicht Natur, sondern eben Kunst ist – ein Spiel mit Farben, Oberflächen, und, dies vor allem (sagt sie), mit Materialien, die es zu erforschen, zu testen und experimentell zu bearbeiten gilt? Ich denke an jene Flügeltierchen, die sich in herrlich schillernde Falter verwandeln können – und ist nicht der Weg von Schmuckstück zu Schmuckstück ein Weg der beständigen Metamorphose? (…)
Denn was die Künstlerin mit Blech, Draht und Email, mit Sandgüssen – die eine an natürlichste Oberflächen erinnernde Außenseite aufweisen – und Eisen („Eisen lockt mich“, sagt sie) herzustellen vermag, sind Variationen über ein nicht beendbares Thema. Sie nennt‘s: Näher an den Schmuck heran kommen. Wo sich das Material, die grün schillernden, mal stumpferen, mal glatten, mal designerhaft wirkenden, mal raffiniert vergröberten Panzer der Tiere (die keine sind) und die unregelmäßigen Rundungen der Goldringe von den herkömmlichen Formen befreien, werden tatsächlich Ideen verwirklicht, von denen Melanie Nützel kaum ahnt, dass sie sie schon gegossen, punziert, getrieben und gehärtet hat. Die Frage, was Kunst sei, ist bekanntlich nur mit den Werken selbst beantwortbar. Die Frage: „Was ist Schmuck?“ bzw. „Was ist Schmuck- Kunst?“ bekommt man reflektiert, wenn man sich die mehr oder weniger schimmernden Kleinobjekte mit ihren textilnahen Oberflächen genauer anschaut.
(…) Schon die Tatsache, dass ihre „Käfer“ sich längst von den naturgetreu sein wollenden Käferbroschen ihrer Kollegen emanzipiert haben, zeigt an, dass sie die eigene Handschrift gefunden hat, um die es letzten Endes geht, wenn man nicht Kunsthandwerk, sondern Kunst machen muss – zumindest für den Augenblick.“